Hilfe, ich werde befördert – was nun?

Eine einfache Anleitung, wie du vom netten Kollegen zum Super-Chef wirst

Man arbeitet viele Jahre zusammen, ist gar befreundet und dann steht die eigene Beförderung an. Der Freude über die Anerkennung seiner eigenen Leistung folgen direkt die Gedanken was nun passiert. Alles bleibt beim Alten? Ganz sicher nicht. Was genau passieren wird, kann keiner voraussagen, denn der Kaminaufstieg ist staubig, steil und nicht störungsfrei. Die gute Nachricht – es sind schon viele durch die Stolperfallen gegangen. Also warum nicht daraus lernen?

Aber fangen wir vorne an: Du sitzt bei Deinem Chef und erfährst, dass Du bald das Team leiten wirst. Er wird Dir (hoffentlich) auch erläutern, warum genau Du die richtige Person für den Posten bist. Falls nicht, darfst Du auch nachfragen – seine Sicht kann Dir später nützlich sein, wenn Du von anderen Kollegen gefragt wirst. Apropos die anderen – wer kommuniziert jetzt eigentlich wann und wie? Den richtigen Zeitpunkt, um es zu kommunizieren, gibt es nicht. Allerdings empfiehlt es sich, dies zeitnah nach der Entscheidung und abgestimmt mit der Geschäftsleitung zu tun. Der Flurfunk funktioniert meist besser, als die Chefs denken. Die Neuigkeiten persönlich in einem Teammeeting zu verkünden ist ein geschätzter Weg. Davor sollte Dein Chef mit eventuellen Mitbewerbern für diese Stelle sprechen und Du kurz davor mit Deinen Dir besonders nahen, vertrauten Personen aus dem Team. Im Teammeeting kann Dein Chef den Kollegen direkt vermitteln, warum der Posten durch Dich besetzt wird. Falls es sich um eine neue Stelle handelt, ist es wichtig das Bewusstsein der Notwendigkeit zu schaffen. Du solltest als neuer, zukünftiger Chef auch die Gelegenheit nutzen kurz etwas dazu zu sagen. Floskeln wie „Es bleibt alles beim Alten“ oder „An sich wird sich nichts ändern“ nehmen Dir die Kollegen nicht ab. Die richtige Kommunikation ist der Schlüssel. Aber was ist richtig? Wenn Du genau hinschaust, entdeckst Du das Wort UNIKAT in Kommunikation. Einzigartig sind wir per Definition als Mensch ohnehin und trotzdem verbiegen wir uns zu oft oder imitieren andere. Sei daher von Anfang an authentisch und sag‘, wie es ist: eine Veränderung, die alle betrifft, und die wir nun gemeinsam angehen. Vielleicht auch, dass Du froh bist, nicht als Externer einzusteigen, sondern die einzelnen Teammitglieder kennst und ihre einzelnen Stärken zu schätzen weißt. Die Reaktionen sind eventuell anders als Du erwartest – sowohl positiv als auch negativ. Es gilt die Sensoren zu aktivieren: Ein Kommentar mit Augenzwinkern, ein Blick oder gar kein Blick – das kann von Bedeutung sein. Natürlich musst Du nicht alles auf die Goldwaage legen, dennoch können es Indizien sein. Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagte schon, wir können nicht nicht kommunizieren – achte daher verstärkt auf die nonverbale Kommunikation.

Der erste Tag als Chef naht. Endlich, Du hast so lange und hart dafür gearbeitet. Alles was Du benötigt hast, um dahin zu kommen, macht Dich nicht zu einer guten Führungskraft. Der Motivationsexperte Reinhard K. Sprenger würde sagen, Du musst jetzt Fremdoptimierer werden. Es geht nicht mehr darum selbst Höchstleistungen zu erzielen, sondern das Beste aus Deinem Team und jedem einzelnen herauszuholen. Hilfreich ist es daher, wenn Du Dir im Klaren darüber wirst, was Dir wichtig ist, was Du von Dir und Deinem Team erwartest. Wie gehst Du mit Freundschaften um? Wie willst Du führen? Denke dabei auch bewusst an Deine bisherigen Chefs oder andere Führungskräfte, die Du erlebt hast und reflektiere sie. Aus eigener Mitarbeitererfahrung haben wir bereits viel über Führung gelernt – meist, wie wir nicht behandelt werden möchten. Nutze dieses Wissen. Ein externes Coaching kann helfen, aber denke auch daran: Führung ist zu 80 Prozent Haltung und zu 20 Prozent Methodik. DAS Patentrezept für den perfekten Chef gibt es nicht und vor allem kann man nicht alles lernen bevor man Chef wird.

Es sollten zeitnah, wenn möglich auch vor offiziellem Beginn, Einzelgespräche geführt werden. Hier kannst Du Erwartungshaltungen von beiden Seiten klären oder anmerken, dass Du zum Beispiel einen Blick wahrgenommen hast, den Du nicht einschätzen kannst. Dieses Vier-Augen-Gespräch eignet sich auch, um bei einem Freund offen anzusprechen, wie Du die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem handhaben möchtest. Freundschaften muss man auf Grund der neuen Funktion nicht kündigen, dennoch ist man in einer neuen Rolle, hat beispielsweise Wissen über Gehälter und Betriebsgeheimnisse, weswegen sich die Beziehung automatisch ändern wird. Es kann auch passieren, dass Du zukünftig nicht mehr zum regelmäßigen Stammtisch eingeladen wirst. Mit Hilfe der Gespräche kannst Du die einzelnen Kollegen einordnen – wer ist für welche Arbeit geeignet, wer benötigt Förderung, wo muss gehandelt/etwas verändert werden.

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Und dann ist es so weit. Der erste Tag. Nach einer guten Vorbereitung, mit vielen Plänen und Ideen im gedanklichen Gepäck kommst Du im neuen Chef-Outfit ums Eck, machst die Tür erst einmal hinter Dir zu und atmest tief durch. Moment. Im neuen Outfit? Am besten Du bestellst gleich noch einen neuen Laptop und das neuste iPhone. Was würdest Du denken, wenn ein Kollege zum Vorgesetzten wird und dann anders aussieht, anders aufritt und sich gleich die neuesten Sachen bestellt? „Kaum ist er Chef, verhält er sich auch so! War ja klar!“? Deinen Kollegen wird es nicht anders gehen. Ein von Dir spendiertes Teamfrühstück mit einleitenden Worten ist da die angenehmere Alternative. Hier kannst Du den Gedanken noch einmal aufgreifen, dass ihr immer noch Kollegen mit gemeinsamer Aufgabe seid, auch wenn Du nun neue Aufgaben und Verantwortungen erhalten hast. Du bist nun Schnitt- und Kommunikationsstelle – in beide Richtungen. Davon kann jeder profitieren. Diese Mehrwerte für den einzelnen – auch gerne als What’s in for me bezeichnet – verhelfen zu mehr Akzeptanz. Laut Reinhard K. Sprenger ist es nicht möglich die Mitarbeiter zu motivieren (lediglich zu demotivieren). Aber Du kannst sie inspirieren. Teile zum Beispiel Dein Verständnis von dem großen Ganzen, wo Du den Sinn siehst und warum Du morgens aufstehst und gerne zur Arbeit kommst. Das macht Dich nahbar und bringt vermutlich einen neuen Blick auf Dich. Alternativ kannst Du Dich am Gedanken aus dem Buch Big Five For Life (John Strelecky) bedienen: Die Menschen arbeiten nicht für den Chef, alle arbeiten zusammen auf ein Ziel hin – sie sind Reisegefährten, die sich gegenseitig helfen einen ähnlichen Punkt am Horizont zu erreichen. Finde Deine Geschichte, mit der Du die Menschen glaubwürdig mitnehmen und dabei inspirieren kannst. Und wenn Du ganz genau hinschaust, erkennst Du den PIRAT in Inspiration. Ja, Du kannst Deine Mitarbeiter „erobern“ und mitreißen und gemeinsam mit dem Team dann Euer Umfeld (zum Beispiel Geschäftsleitung, Kunden, Partner oder andere Abteilungen). Damit hast Du Deine Erwartungshaltung im Sinne eines Big Pictures vermittelt und eine gute Basis geschaffen.

In den nächsten Wochen gibt es viel zu tun. Nimm Dir aber nicht zu viel vor und baue genug Puffer ein, denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Regelmäßige Teammeetings, die eine klare Agenda haben und dessen Zeit- und Inhaltsrahmen eingehalten werden, sind genauso wichtig wie wöchentliche Einzelgespräche. Neben der authentischen Art schätzen Mitarbeiter die Verbindlichkeit, dazu gehört es Timings und Gesagtes einzuhalten und auch die Pünktlichkeit. Ein sehr hilfreiches Werkzeug ist die persönliche Arbeitsmethodik, die laut Fredmund Malik zwar nicht sonderlich spannend scheint, aber äußerst wichtig für effizientes Arbeiten sein kann. Gerade bei einem Wechsel der Position ist es elementar wichtig die eigene Arbeitsweise anzupassen. Diese ist sehr individuell und branchen-/jobabhängig – so können beispielsweise Mails nun in höherem Maße eintreffen und die Art und Weise der Bearbeitung müsste angepasst werden. Unabhängig davon ist für jeden, der in die Führungsetage aufsteigt, der Ausbau des Netzwerkes. Vielleicht hast Du bereits ein gutes Netzwerk aufgebaut, das Dir in der neuen Position in der Zusammenarbeit mit anderen Führungskräften nun zu Gute kommt. Wenn Du bereits einen guten Draht zu einem erfahrenen Kollegen auf gleicher Ebene hast, frage ihn, ob er Dein Mentor sein möchte. Mit ihm kannst Du Dich zum Beispiel bei regelmäßigen Mittagessen austauschen, Fragen stellen und Feedback einholen. Falls nicht, suche Dir einen oder frage Deinen Chef, wen er dafür empfehlen kann. Dein Chef kann Dir übrigens ergänzend zur Seite stehen. Neben dem Ausbau des Netzwerkes ist die persönliche Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern enorm wichtig. Dazu gehört das tägliche „Guten Morgen“, aber auch kleine Gesten wie die Geburtstagsgratulation. Du kennst das Team und weißt – vielleicht auch aus eigener Erfahrung – welche Wertschätzung gefragt ist. Nutze diesen Vorteil. Aber auch wenn Du das Team gut kennst, empfiehlt sich ein Workshop mit dem gesamten Team mindestens einmal im Jahr – am besten mit einem externen Moderator. Reinhard K. Sprenger empfiehlt in Umbruchszeiten eine höhere Frequenz. Hier kannst Du das Big Picture vermitteln, die Erwartungen des Teams an Dich und andersherum platzieren und je nach Team neue Ideen entwickeln. Abends könnte ein Teambuilding Event – wie ein gemeinsamer Bowling Abend – folgen. Dies ist abhängig von bisherigen gemeinsamen Aktivitäten und der Teamkonstellation.

Je nachdem, wie die Regelung der Ansprache im Unternehmen ist, kann die Du/Sie Ansprache kniffelig werden. Plötzlich mit dem Team zurück zum Sie? Das ist nicht empfehlenswert. Wenn Du persönlich eine Duz-Kultur schätzt, sprich das in Einzelgesprächen an. Zum Beispiel auch, dass Du dies schätzt, aber auch respektierst, wenn der Mitarbeiter das Sie bevorzugt – gerade bei älteren Kollegen wird das überraschend positiv aufgenommen. Ebenfalls positiv wahrgenommen wird Deine Sichtbarkeit und räumliche Nähe. Falls Du nun zum Beispiel in einem neuen Büro bist, sollte die Tür, wenn möglich, offenbleiben. Die Balance zwischen zu viel über die Schulter schauen oder eingreifen müssen (Kontrolle) und Vertrauen haben, ist nicht leicht zu finden, aber es wird sich einpendeln. Viele versuchen, es jedem recht zu machen. Ein offenes Ohr ist sehr wichtig, aber es ist auch vollkommen in Ordnung mal „Nein“ zu sagen, wenn ein Mitarbeiter in der Tür steht und etwas besprechen möchte. Du kannst sagen, dass Du beschäftigt bist, aber um XX Uhr Zeit hast und ob es bis dahin warten kann. Wenn Du das Anliegen dann vorgetragen bekommst, denk daran, dass Du nun den Mitarbeiter anleitest wie er zu einer Lösung kommt. Übernimm nicht aus Gewohnheit die Aufgabe – Du solltest nicht selbst der beste Sachbearbeiter sein. Delegieren und dabei nicht den Chef raushängen lassen? Ja, das ist nicht leicht, aber mit klaren Ansprachen, Erläuterungen warum man etwas entschieden hat, kannst Du authentisch und transparent Handeln. Wenn Du den Nutzen und Sinn vermitteln und nicht nur anweist, kannst Du Veränderungen angehen. Es empfiehlt sich, in der ersten Zeit nicht alles umzuwerfen und sich auf die Quick Wins zu fokussieren. Von Anfang an gemeinsame Erfolge zu feiern gehört genauso dazu wie Deine eigene Reflektion und persönliche Dokumentationen. Notiere Dir Situationen und Reaktionen – das hilft Dir in den ersten Feedbackgesprächen. Lob und Anerkennung ist natürlich immer gefragt und darfst Du jederzeit äußern, aber auch kritische Situationen sollte man zeitnah, möglichst direkt (unter vier Augen) besprechen. Nach drei Monaten kann man das erste Fazit ziehen – am besten mit 360° Feedbackgesprächen, also mit Deinen Mitarbeitern, Deinem Chef, dem Mentor und anderen Kollegen auf gleicher Ebene. Nimm die Kritik ernst – manchmal hilft auch ein gedanklicher Perspektivenwechsel zu einem besseren Verständnis.

Schlussendlich ist es eine spannende Zeit, auf die Du Dich freuen kannst. Es wird Probleme geben, die es zu lösen gilt – aber PRObleme heißen so, weil sie FÜR etwas sind, sonst wären es ja KONTRAbleme. Und auch Fehler passieren – dazu zu stehen und daraus zu lernen ist die wahre Stärke. Du kannst als Coach für Deine Mitarbeiter und den notwendigen Freiraum das Beste aus ihnen herausholen. Denk immer daran, was Dich antreibt und sei der „unikate Pirat“ – mit den Mundwinkeln nach oben.

Verweise im Text:
www.paulwatzlawick.de/axiome.html
John Strelecky, Big Five For Life S. 33 f – Mitarbeiter als Reisende
Reinhard K. Sprenger / Radikal führen / S. 98 – Fremdoptimierer
Reinhard K. Sprenger („Mythos Motivation“) – über das Demotivieren der Mitarbeiter
Fredmund Malik / Führen, leisten, leben / S. 325ff – persönliche Arbeitsmethodik

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